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Samstag, 19. Juli 2014

Der heilige Vinzenz von Paul über seine Gefangenschaft bei den Moslems in Tunesien


Als ich (von Marseille) zu Lande abreisen wollte, lud mich ein Edelmann ein, ihn bis Narbonne zur See zu begleiten. Wetter und Wind waren günstig, so dass wir an einem Tag Narbonne erreichen konnten; daher nahm ich die Einladung an. Aber Gott gestattete, dass drei türkische Brigantinen, welche im Golf von Lion christlichen Schiffen auflauerten, auf uns Jagd machten und uns so heftig angriffen, dass zwei oder drei Passagiere getötet und alle anderen verwundet wurden; auch ich erhielt einen Pfeilschuss, der mir zeitlebens als Wetterprophet dienen wird. Wir mussten uns ergeben, unser Steuermann wurde in Stücke gehauen, weil die Türken bei ihrem Angriff einen ihrer Anführer und vier oder fünf Galeerensklaven verloren hatten. Nachdem man uns oberflächlich verbunden hatte, legten sie uns in Ketten und setzten ihren Raubzug fort; nach sieben oder acht Tagen aber segelten sie, zufrieden mit der gemachten Beute, nach ihrer Räuberhöhle (Tunis) zurück. Dort gab man vor, man habe uns auf einem spanischen Schiff gefangen genommen, damit der französische Konsul keinen Anlass habe, uns zu befreien, und stellte uns dann zum Verkauf aus.

Dabei ging es so zu: Anstatt unserer eigenen Kleider erhielten wir einen Sklavenanzug, und mit einer Kette um den Hals führte man uns durch einige Straßen der Stadt Tunis. Dann kehrten wir zum Schiff zurück, und die Kaufleute kamen dorthin, um zu sehen, wer essen könne und wer nicht, damit sie erkannten, dass unsere Wunden nicht gefährlich seien. Darauf endlich führte man uns auf den Markt, und hier untersuchte man uns, wie man ein Pferd oder ein Rind beim Verkauf untersuchen würde. Man ließ uns den Mund öffnen und besah unsere Zähne, befühlte unsere Glieder, wir mussten gehen, laufen, Lasten heben, ringen und tausend andere Brutalitäten uns unterziehen, um unsere Kräfte erkennen zu lassen.

Ich wurde an einen Fischer verkauft; allein da ich nichts so wenig ertragen kann als das Meer, musste dieser mich bald wieder verkaufen, und ich kam jetzt an einen Arzt, einen sehr menschenfreundlichen und milden Mann, welcher, wie er mir sagte, schon 50 Jahre nach dem Stein der Weisen suchte, ohne ihn zu finden. Meine Beschäftigung bestand darin, unter zehn bis zwölf Öfen das Feuer zu unterhalten. Er liebte mich sehr und sprach gern mit mir über die Alchemie, noch lieber aber über sein Gesetz, zu welchem er mich mit aller Gewalt hinüberzuziehen suchte, indem er mir viele Reichtümer und die Mitteilung seiner ganzen Wissenschaft versprach: Gott aber hielt mich aufrecht durch die Hoffnung auf meine Befreiung, die ich in vielen Gebeten durch die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau erflehte.

Bei diesem Arzt war ich vom September 1605 bis zum August 1606; dann wurde er zum Sultan nach Konstantinopel berufen, er starb aber auf der Reise. Er hinterließ mich seinem Neffen, der mich jedoch auch bald wieder verkaufte und zwar an einen sizilianischen Renegaten (ein zum Islam abgefallener Katholik). Dieser führte mich ins Gebirge auf sein Tomat – d. h. sein Landgut, das er vom Großherrn zur Pacht hatte, denn das Volk hat kein Grundeigentum; alle Äcker gehören dem Sultan.

Der Renegat hatte drei Frauen, und der einen von ihnen, einer Türkin, bediente sich die Barmherzigkeit Gottes, um ihren Ehemann in die Kirche zurückzuführen und mich aus der Gefangenschaft zu befreien. Neugierig, wie sie war, wollte sie die christliche Lebensweise kennenlernen; daher kam sie täglich aufs Feld, wo ich graben musste, und nach vielen Fragen befahl sie mir, das Lob meines Gottes zu singen. Die Erinnerung an das „Wie sollen wir singen im fremden Lande“ der gefangenen Juden in Babylon bewog mich, mit Tränen im Auge den Psalm Super flumina Babylonis (An den Flüssen Babylons sangen wir und weinten usw.) anzustimmen, dem ich das Salve Regina und andere Lieder folgen ließ. Sie fand an diesen Gesängen ein unsägliches Vergnügen, so dass sie am Abend ihrem Mann sagte, er habe Unrecht daran getan, seine Religion zu verlassen; sie habe dieselbe hochschätzen gelernt durch das, was ich ihr vorgesungen; sie sei dabei vor Entzücken außer sich geraten, und sie glaube nicht, dass das Paradies, das sie erwarte, ihr größere Freude gewähren könne, als die gewesen sei, welche sie bei meinem Gesang empfunden habe. 
Diese Worte machten auf ihren Mann solchen Eindruck, dass er mir am folgenden Tage sagte, er warte nur auf eine günstige Gelegenheit, um mit mir nach Frankreich zu fliehen. Die Gelegenheit bot sich aber erst nach zehn Monaten; auf einem kleinen Kahn entkamen wir und am 28. Juni 1607 landeten wir in Aiguesmortes, von wo wir wenige Tage später uns nach Avignon begaben. Hier nahm der päpstliche Vizelegat den Renegaten wieder in die Kirche auf.“ 

(Aus: die katholischen Missionen, 1878)

Später gründete der hl. Vinzenz die Congregatio Missionis, die Kongregation der Missionen, besser bekannt als Lazaristen oder Vinzentiner, die wiederum heilige Missionäre, darunter auch Märtyrer, hervorbrachte, so z. B. den hl. Justin de Jacobis, den Apostel Äthiopiens (Teil 1, Teil 2, Teil 3) sowie den heiligen Märtyrer Jean-Gabriel Perboyre, der in China für den Glauben starb (hier).