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Samstag, 11. Oktober 2014

Wie apostolische Armut aussieht (Teil 1)

Msgr. Paul-Marie Reynaud C.M.

In den Hafenorten und den bedeutenderen Städten Chinas sehen wir die katholische Mission fast überall schon durch stattliche Kirchen und schöne Anstalten vertreten. Anders ist es vielfach auf dem flachen Land, in den kleineren weit zerstreuten Außenposten. Hier trägt die Mission mancherorts noch ein recht ärmliches Gewand, und hier fühlt der Missionär oft genug die ganze Bitterkeit der apostolischen Armut. Solche Erfahrungen hat vor einiger Zeit auch der Apostol. Vikar der Lazaristenmission von Tschekiang, Msgr. Reynaud, auf einer weiten Rundfahrt durch seinen Sprengel gemacht.

„Wir sind aus den Katakomben in die Scheunen gestiegen“, so fasst er seinen Eindruck zusammen. Die Kapellen der neueren Christengemeinden gleichen in der Tat großenteils armseligen Scheunen und sind so niedrig, eng und dunkel, dass man darin kaum aufrecht stehen kann. „Wenn ich sitzend predige, so sehe ich einen großen Teil der Zuhörer nicht; stehe ich auf, so habe ich sicher einen Balken vor Mund oder Augen. Es kostet große Anstrengung, will man sich in diesem Labyrinth von Balken und Pfosten seiner Zuhörerschaft mit den glattrasierten Köpfen überall verständlich machen.“

Um bei der Firmung die Mitra aufzusetzen und nicht mit dem Kopf anzustoßen, musste der Bischof seinen Sitz in die Mitte unter den Dachfirst verlegen. Hier geht es allenfalls. Er sei aber selten ohne Beule am Kopf aus diesen „Kapellen“ herausgekommen. Sehr oft sind dieselben bloß ein größeres Zimmer in einem chinesischen Haus. Bei der heiligen Messe oder dem Hochamt spendet dann die nahe Küche den Weihrauch, da sie von der Kapelle nur durch eine schlecht gefügte Bretterwand getrennt ist und der Rauch abzieht, wo er gerade eine Öffnung findet. Alles hustet bei dem Qualm, der in dem niedrigen, dicht gefüllten Raum erstickend wirkt.

Eine harte Probe für den Bischof war der geradezu unbezähmbare, dreiste Vorwitz, der den Chinesen eigen ist. Das Bischofszimmer bestand in den meisten Fällen aus einem Raum, der gleichzeitig als Sprech-, Ess-, Rauch- und Schlafzimmer, außerdem als Durchgang für die Dienerschaft und als Tummelplatz der Hühner, Hunde, Katzen, Schweine diente. Das alles geht noch an. Aber die Menge der sich zudrängenden Leute, meist noch Heiden, die um jeden Preis den großen Mann sehen wollen, macht die Lage oft fast unerträglich. Das ist ein Gedränge! Jedes Plätzchen ist besetzt. Stühle, Tische werden erklommen, um besser sehen zu können. Jeder verteidigt seinen Standort gegen den Nachdrängenden. Es ist keine Kleinigkeit, da Ruhe und Ordnung zu schaffen, falls im selben Raum auch noch Gottesdienst, Predigt oder Christenlehre gehalten werden soll. Den ganzen Tag gibt’s keine Ruhe. Eine Gruppe Neugieriger löst die andere ab. Es sind Leute aus allen Ständen und Klassen, Männer und Frauen, Jung und Alt, „Gelehrte“, Kaufleute, Bauern und Tagelöhner. Alle wollen den Bischof sehen, ihm ihre Aufwartung machen, und alle kommen vor allem, um ihn gründlich von oben bis unten zu mustern.

(Aus: die katholischen Missionen, 1904)

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